Textiler Sonnenschutz in Frühzeit und Antike

In Theatern wie diesem wurden zahlreiche Sonnensegel parallel eingesetzt
 
Die Sonne ist seit jeher Freund, aber auch Feind des Menschen. Und dabei ist noch nicht einmal von Buschbränden oder Dürreperioden die Rede. Die Abwesenheit von Schatten an Orten oder zu Zeiten, wo und wann er dringend gebraucht wurde, plagt und beschäftigt die Menschen schon seit Jahrtausenden. Der folgende Artikel beleuchtet historische Etappen des Sonnenschutzes und seine Entwicklung.
 

Sonnenschutz in frühester Zeit

Die Verwendung von Sonnenschutz-Hilfsmitteln in frühester Zeit lässt sich aufgrund der Tatsache, dass Überlieferungen fehlen und Wissenschaftler bei der Rekonstruktion der damaligen Lebensumstände auf Ausgrabungen und vereinzelte Höhlenmalereien angewiesen waren, selbstverständlich nur bedingt nachweisen.
 
Es wird gemeinhin davon ausgegangen, dass Höhlenbehausungen mit Tierfellen verhangen wurden. Dies diente zwar vorrangig dem Abschirmen vor Kälte und Witterung – aber auch zum Schutz vor Sonne und den Blicken von Raubtieren dürften diese frühzeitlichen Sonnensegel dienlich gewesen sein. Für den Aufenthalt im Freien konnten Felle oder große Blätter um Stöcke geschlungen werden – so erhielten sie einen Unterstand inklusive Sonnensegel.
 
Das Kolosseum in Rom verfügte über ein speziell konstruiertes SonnensegelHistorisch belegt ist wiederum die Verwendung von Stoff-Sonnensegeln der alten Ägypter – vorzugsweise finanziell besser gestellter Gesellschaftsmitglieder wie die Pharaonen und deren Hofstaat, galt doch Stoff zu dieser Zeit auch schon in Qualitätsstufen, die wir heutzutage als eher zweitklassig bezeichnen würden, bereits als Luxusware. An anderen Orten in der Antike gab es einen wesentlich weitreichenderen Bedarf und größer angelegte Verwendungszwecke für Stoffplanen als Sonnenschutz – Rom (beziehungsweise das römische Reich) bildet hier das wohl populärste Beispiel. 
 

Sonnenschutz in der Antike

Einen maßgeblichen Anteil an der Sonnensegel-Entwicklung hatte die klassische Antike. Im alten Griechenland wurden Sonnensegel sowohl im privaten als auch im öffentlichen Bereich eingesetzt. Die meisten Zeugnisse für die Verwendung historischer Sonnensegel stammen jedoch aus der römischen Kultur; daher sind die verlässlichsten und umfangreichsten Forschungsergebnisse auch auf diesem Gebiet zu finden.
 

Das Velum: Sonnensegel der römischen Antike

Der lateinische Ausdruck „velarium“ leitet sich von dem ebenfalls lateinischen Begriff „velum“ ab, was im Allgemeinen „hängende Tücher“ bezeichnet, egal, ob es sich dabei um Umhänge, Vorhänge oder auch Sonnensegel handelt. Derartige Tuchwaren dienten in römischen Häusern oft vorrangig zu dekorativen Zwecken. Das Atrium (der zentrale Raum eines klassischen römischen Hauses) wurde sowohl für Sonnen- als auch für den Schutz vor Wind und Regen mit Sonnensegeln ausgestattet.
 

Verwendung

Auch an öffentlichen Plätzen wurden Vela (Plural für Velum) bisweilen aufgespannt, zum Beispiel auf dem Forum Romanum, dem zentralen Platz im antiken Rom. Mitunter wurden auch Straßenzüge (nicht nur in Rom, sondern auch im Pompeji) mit Sonnensegeln überspannt, um Prozessionen in ein feierliches Gewand zu hüllen und gleichzeitig Sonnenschutz für die Prozessionsteilnehmer zu gewährleisten.
 
Schon der Querschnitt des Kolosseums lässt die gewaltigen Dimensionen des Sonnensegels erahnen, das dort für Schatten sorgte.Es gibt jedoch in der gesamten Antike eine besonders herausstechende Verwendung für Vela als Sonnenschutz. Rom und das gesamte römische Reich waren und sind für die Theater und Amphitheater, welche zentrale Orte kulturellen Lebens repräsentierten und von großen Zuschauermassen frequentiert wurden, bekannt. Dabei versammelten sich Adel und Pöbel gleichermaßen, um Tragödien oder Gladiatoren- und Tierkämpfen sowie Wagenrennen und anderen Schauspielen zuzusehen.
 
Laut den historischen Quellen war es der Politiker und Konsul Quintus Lutatius Catulus, der 69 vor Christus erstmals ein Sonnensegel über einem Theater aufspannen ließ. Vela als solche hatte es zwar schon zuvor gegeben; die Verwendung als Schattenspender für Theater war jedoch etwas Neues. Die erstmalige Verwendung eines Velums für ein Amphitheater ist historisch erst für die Herrschaftszeit des römischen Kaisers Nero bezeugt. 
 

Funktion und Material

Die Aufgabe der Vela ist an mehreren Stellen historisch bezeugt; oft ist vom „Schattenwurf“ die Rede; auch die Bezeichnung „Sonnenschirm-Vela“ kommt vor.
 
Als Material für diese historischen Sonnensegel diente zunächst gefärbtes Leinen; später ist in den historischen Quellen (vor allem in den Schriften des Plinius) von „carbasus“ als Sonnensegel-Material die Rede. Als „carbasus“ wurden ursprünglich Baumwollgewebe bezeichnet; in diesem Fall ist nicht sicher, ob auf eine bestimmte Leinenart oder doch auf ein leichtes Baumwollgewebe angespielt wird. 
 

Konstruktion und Spannweite

In den historischen Quellen wird über Sonnensegel immer nur im Plural (vela) gesprochen. Es ist daher anzunehmen, dass die Überdachungen nicht aus einer großen Plane, sondern aus mehreren beziehungsweise vielen Teilstücken bestanden.
 
Über die Art der Aufhängung gibt es unterschiedliche Berichte: Einmal sollen sie fixiert an senkrechten Masten und waagerechten Balken gewesen sein. Eine andere Quelle beschreibt die Vela an Seilen aufgehängt und dadurch bewegbar. Eine vollständige Beschattung des Theaters konnte mit der Spannweite eines klassischen Velums nur für die Bühne bewerkstelligt werden. Der Großteil der Ränge und des Orchestras wurden jedoch beschattet.
 

Ein populäres Beispiel: Das Sonnensegel des römischen Kolosseums

Gruß der Gladiatoren im römischen Reich im Kolosseum unter dem Velarium in RomDas Kolosseum in Rom zählt zu den berühmtesten Bauwerken der Welt. Das Amphitheater ist das größte seiner Art und wurde zwischen 69 und 96 nach Christus erbaut. Es erscheint auch heute noch beim Anblick der Überreste des gewaltigen Gebäudes unwahrscheinlich, dass es einstmals von einem kompletten Sonnensegel – dem Velarium – überspannt gewesen sein soll. Diverse Indizien und Überlieferungen belegen diesen Umstand jedoch.
 
Ursprünglich verfügte das Kolosseum über 240 Masthalterungen am oberen Gebäuderand, von denen 100 erhalten geblieben sind. Diese Masthalterungen waren so konstruiert, dass sich die in ihnen befindlichen Masten nicht bewegen konnten, um mehr Stabilität beim Aufspannen des Velariums zu gewährleisten.
 
Insgesamt fällt auf, dass der Abstand zwischen den einzelnen Masthalterungen des Kolosseums so gering ist wie bei keinem anderen Amphitheater, das bisher dahingehend untersucht wurde. Dies verdeutlicht die Bemühungen der Konstrukteure, den Innenraum so weit wie nur möglich mit Schatten zu versorgen.
 
Querschnitt des Kolosseums in Rom
 
Das Sonnensegel selber bestand aus zahlreichen gleich großen Planen, die zusammengeknüpft worden waren.
 
 
Das Herzstück der Konstruktion bildete ein Ring, der sich auf dem Boden der Arena befand. Seile, die zur Spannung des Velariums dienten, liefen von diesem Ring aus über die Masten nach außen, wo das Sonnensegel mit Hilfe spezieller Winden gespannt wurde.
 
 
Die Bedienung des gigantischen Sonnensegels oblag dabei erfahrenen Matrosen der kaiserlich-römischen Flotte. Allein das Aufziehen des Velariums nahm mehrere Tage und die Arbeitskraft von etwa 100 Männern in Anspruch. 
 

Hier ein kurzes Video auf italienisch "l Colosseo Rivelato - Il Velario", ARTis SRL, Antonio Scona

 

Il Colosseo Rivelato - Il Velario

 

 

 

Quellen

Rainer Graefe: Vela erunt: Die Zeltdächer der römischen Theater und ähnlicher Anlagen. Zabern, Mainz 1979. ISBN 3-8053-0361-0
Andreae, Bernhard: Römische Kunst, Band 5, Freiburg 1973
Quelle Bild "Querschnitt Kolosseum":  Andreae, Bernhard Römische Kunst, Bd. 5, Freiburg 1973 (Andreae, Römische Kunst), Abb. 877
YOUTUBE  - "l Colosseo Rivelato - Il Velario" von ARTis SRL/ Antonio Scona
 
Sonnensegel-Bilder finden Sie hier Sonnensegel © pina-design.de
 
 
 
 

 

 

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